Sachen aus der Kindheit aussortieren

„Ach, das hatte ich ja ganz vergessen. Früher habe ich so viel damit gespielt.“
Das sind Sätze, die dich oft zu hören kriegen, sobald ich mit Kunden in den Tiefen von Schränken oder Kisten gelandet bin. Dinge aus der Kindheit tauchen beim Aussortieren immer wieder mal auf und das ist prinzipiell auch kein Problem.
Wenn die Sachen aber nicht gut verpackt darauf warten, alle paar Jahre wieder entdeckt zu werden, sondern großen Raum im aktuellen Leben einnehmen, kann es zum Problem werden.
Eine Schrankwand gefüllt mit alten Plüschtieren, Gesellschaftsspielen oder Kassettensammlungen, anstatt mit den Dingen, die aktuell gebraucht werden.
Kartonweise Brieffreundschafts-Briefe, Sammelalben oder Schulhefte, die die Regale im Büro blockieren.
Dachböden voll mit Bücher, Kleidung oder Lego-Sets, die für noch nicht geborene eigene Kinder aufbewahrt werden.
Warum ist das alles eigentlich noch da?
Wenn du schon mal versucht hast, dich von alten Spielsachen, Kinderbüchern oder Erinnerungsstücken aus der Kindheit zu trennen (und nicht erfolgreich warst), kennst du das: Es fällt unglaublich schwer.
Dinge, die du jahrelang nicht beachtet hast, lösen plötzlich starke Emotionen aus.
Warum ist das so? Warum hängen wir so sehr an Dingen aus der Vergangenheit, selbst wenn wir wissen, dass sie eigentlich nur Platz wegnehmen?
Gegenstände als Anker der Erinnerung
Das Kuscheltier, die Briefe oder das Kinderbuch – all diese Sachen haben eine emotionale Bedeutung. Sie sind mehr als nur Objekte. Sie sind Anker für unsere Erinnerungen. Wenn du ein altes Stofftier in die Hand nimmst oder deine Lieblingskassette siehst, erinnerst du dich nicht nur an das Ding selbst, sondern an das Gefühl von Geborgenheit, an bestimmte Momente oder an die Menschen, die damals da waren. Die Sachen zu behalten gibt dir das Gefühl, dass du die Vergangenheit aufbewahren kannst.

Die Angst, Erinnerungen zu verlieren
Damit hängt beim Aussortieren die Angst zusammen, dass mit dem Gegenstand auch die Erinnerung verschwindet. Du glaubst, dich ohne das greifbare Objekt nicht mehr an bestimmte Momente erinnern zu können. Tatsächlich sitzen die Erinnerungen aber nicht in den Dingen, sondern in dir selber. Das Teil ist nur der Auslöser, um die Erinnerung an die Oberfläche zu holen. Ohne Erinnerung wäre der Teddy nur ein beliebiger Teddy, aber auch ohne Teddy ist die Erinnerung noch in dir.
Dinge als Verbindung zur eigenen Identität
Dazu kommt noch, dass die Gegenstände aus deiner Kindheit Teil deiner Identität sind. Sie erzählen, wer wir mal waren – welche Hobbys wir hatten, welche Bücher uns interessierten, welche Träume wir hatten. Lässt du die Dinge los, hast du gleichzeitig das Gefühl, auch diesen Teil deiner Geschichte aufzugeben. Manche Dinge erinnern dich an Menschen, die nicht mehr in deinem Leben sind, an Freundschaften aus der Schulzeit oder an Kindheitsträume, die du vielleicht aufgegeben hast. Die Dinge festzuhalten kann das Gefühl vermitteln, diese Zeit oder diese Beziehungen noch ein Stück weit bewahren zu können.
Oft sind die Erinnerungen an die Kindheit gleichzeitig Erinnerungen an unbeschwerte Zeiten. An Zeiten ohne große Sorgen, an Optimismus, an Geborgenheit. Diese Erinnerungen und die guten Gefühle, die damit verbunden sind, dürfen für immer bleiben, aber die Sachen sorgen nicht dafür, dass du heute ein gutes Leben hast. Deine Identität und dein heutiges Leben besteht nicht aus alten Sachen, sondern aus deinen Erfahrungen und Werten und an der Art, wie du heute dein Leben gestaltest.
Elterliche Erwartungen und Schuldgefühle
Ein weiterer Grund, warum es so schwer fällt, sich von Kindheitssachen zu trennen, sind äußere Erwartungen – besonders von den Eltern. Viele von uns haben das Gefühl, dass wir die Dinge aufheben „müssen“, weil unsere Eltern sie aufgehoben haben oder weil sie damit Erinnerungen an unsere Kindheit verbinden. Vielleicht haben sie damals mit viel Liebe das Spielzeug ausgesucht oder unsere ersten Zeichnungen aufbewahrt. Und jetzt schaust du die Sachen an und hast an viele davon überhaupt keine eigenen Erinnerungen. Wenn du aber diese Dinge loslässt, hast du Angst, deine Eltern könnten denken, dass du ihre Mühe oder Zuneigung nicht wertschätzt. Aber wie schon gesagt: Erinnerungen bleiben auch ohne die Gegenstände bestehen. Außerdem ist es nicht deine Verantwortung, alles zu bewahren, nur weil es anderen wichtig war.
Das ist noch was wert
Kein Grund Dinge aufzubewahren ist übrigens das Geld. In den allermeisten Fällen sind deine alten Sache heute (fast) wertlos. Vielleicht gibt es jemanden, der dir ein neuwertiges Steifftier abkauft und Pokemon-Karten werden immer noch gesammelt, aber von wenigen Ausnahmen abgesehen ist der materielle Wert alter Spielsachen oder Bücher den Aufwand für den Verkauf nicht wert. Natürlich kannst du darauf setzen, dass die Dinge irgendwann Antiquitätenstatus bekommen oder ein Museum sie haben will. Du liest diesen Beitrag aber, weil du aussortieren willst, oder? Das heißt nicht, dass alles auf den Müll muss, denn Vieles lässt sich noch verschenken. Sei aber nicht böse, wenn keiner deine zerfledderte Hanni-Nanni-Sammlung haben will.

Sachen aus der Kindheit aussortieren: Praktische Ansätze
Auch wenn es schwerfällt ist es möglich, sich von Dingen aus der Kindheit zu trennen, ohne die Erinnerungen zu verlieren.
Hier sind ein paar Ideen:
Schrittweise loslassen: Du musst nicht alles auf einmal aussortieren. Manchmal hilft es, sich erst von weniger bedeutenden Dingen zu trennen und sich langsam an größere Erinnerungsstücke heranzutasten.
Raum schaffen: Entscheide, wie viel Platz du Erinnerungsstücken geben willst und bewahre sie dort so auf, dass sie gut erhalten bleiben. Der beschränkte Platz hilft dir auch bei den Entscheidungen, was geht und was bleibt.
Fotos als Erinnerung nutzen: Ein Foto kann den Gegenstand dokumentieren, sodass die Erinnerung bleibt, selbst wenn das physische Objekt geht.
Bewusst auswählen: Statt alles aufzubewahren, kann man gezielt einige wenige Erinnerungsstücke behalten, die dir wirklich viel bedeuten.
Den Dingen einen neuen Zweck geben: Vielleicht freut sich jemand anderes über das alte Spielzeug oder die Bücher – zu wissen, dass sie noch genutzt werden, macht das Loslassen oft leichter.
Erlaube dir, dich zu verändern: Es ist okay, sich weiterzuentwickeln. Die Vergangenheit bleibt Teil von dir, auch wenn wir nicht jedes physische Symbol davon behalten.
Am Ende geht es beim Sachen aus der Kindheit aussortieren nicht darum, alles radikal auszumisten, sondern darum, eine bewusste Entscheidung zu treffen: Was ist mir wirklich wichtig? Welche Erinnerungen brauche ich, um mich mit meiner Vergangenheit verbunden zu fühlen? Diese Fragen zeigen, dass loslassen nicht bedeutet, die Vergangenheit zu vergessen, sondern Platz für die Zukunft zu schaffen.
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