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Aufräum-Dilemma: Darf ich das wegschmeißen?

  • 27. Aug.
  • 4 Min. Lesezeit

Wie oft sagst du dir beim Ausmisten, „das kann ich doch nicht einfach wegschmeißen“?

Wenn es dir so geht, wie vielen meiner Kunden, dann passiert das ziemlich oft.


Aufräum-Dilemma: Darf ich das wegschmeißen - Deine klare Linie

Und das ist kein Wunder. Viele von uns sind mit Eltern oder Großeltern groß geworden, die Not und Mangel erlebt haben. Vielleicht kommst du sogar selber aus Umständen, in denen das Sprichwort „haben ist besser als brauchen“ mehr als nur ein Sprichwort ist. Da hat die Frage „darfich das wegschmeißen“ gleich ein gang anderes Gewicht.


Und so stehst du jetzt da und schaffst es nicht, dich von Überflüssigem zu trennen. Denn selbst, wenn du es nicht mehr brauchst: Einfach wegschmeißen, das geht nicht, so lange jemand anderes es noch nutzen könnte.

Zu den Ängsten vor Mangel kommt der Umweltschutz: Es stecken schließlich Ressourcen in dem Teil, die nicht im Müll landen sollen.


Wegwerfen fällt schwer

Du weißt also, wie schwer Wegwerfen ist. Gleichzeitig aber auch, wie befreiend ein aufgeräumtes Zuhause ist.

Und jetzt hast du das Dilemma.

Ich würde dir gerne die Lösung anbieten. Den Weg mit dem jedes Teil ohne viel Aufwand den passenden neuen Besitzer findet. Leider kann ich das nicht.

Deswegen tue ich etwas anderes. Ich halte ein kleines Plädoyer für eine andere Lösung, nämlich das Wegschmeißen.


Direkt vorneweg eine Erklärung: Wegschmeißen heißt für mich nicht nur Restmüll, sondern beinhaltet alle Recyclinglösungen, die dein örtlicher Wertstoffhof anzubieten hat. Wenn du die nutzt, bleibt in der Regel nur wenig für den Restmüll übrig.


Aussortiertes spenden oder verkaufen?

Die Sachen zu verkaufen oder zu spenden scheint als die einzige nachhaltige Lösung.

Wie du aber wahrscheinlich selber schon festgestellt hast, ist es nicht einfach, Dinge zu verkaufen oder zu verschenken. Recherchieren, fotografieren, beschreiben, Anfragen beantworten, Sachen zur Post oder woanders hinbringen. Das kostet Zeit und Mühe, vor allem, wenn es dann am Ende doch niemand haben will.

Denn ein Blick auf Kleinanzeigen oder ins örtliche Sozialkaufhaus zeigt, dass augenscheinlich alle von allem zu viel haben. Auch Menschen mit wenig Einkommen können sich hier in Deutschland in der Regel alles kaufen, was sie zum Leben brauchen, Discountern und China-Shops sei dank. Deswegen sind immer weniger Menschen auf Spenden wirklich angewiesen, vor allem wenn es um Kleidung oder Alltagsgegenstände geht. Das ist gut so, denn niemand hat es verdient, von den Almosen anderer zu leben. Es bedeutet aber auch, dass es für deine „noch guten“ Sachen weniger Nachfrage gibt, wenn etwas Vergleichbares auch neu für wenige Euro zu haben ist.


Deine Zeit und Energie sind auch wertvoll

Und was viele beim Thema Nachhaltigkeit vergessen: Nicht nur die Materialien sind wertvolle Ressourcen, deine eigene Zeit und Kraft sind es auch.

Und es ist in Ordnung, auf deine Kapazitäten zu achten. Du darfst Entscheidungen treffen, die nicht perfekt sind, wenn sie dir helfen, weiterzukommen. Wenn ein Teil deines Ballasts nur deshalb in deiner Wohnung bleibt, weil du auf die Gelegenheit wartest es „richtig“ loszuwerden (wenn du irgendwann genug Zeit hast und genug Energie) darf die Lösung auch mal lauten: Mit gutem Gewissen ab in die Tonne. Denn dein Ziel ist ja nicht nur weniger Zeug, sondern ein leichteres, klareres Leben. Und das erreichst du nicht, wenn du es dir beim Loslassen unnötig schwer machst.


Lernen für die Zukunft statt Schuldgefühle pflegen

Neben „ich darf es mir einfach machen“ gibt es noch einen anderen Gedanken, der helfen kann: Nicht jede Kaufentscheidung muss perfekt und „für immer“ sein. Vielleicht war eine Anschaffung unüberlegt, vielleicht war sie zwar notwendig, hat aber nicht lange gehalten. Vielleicht haben sich deine Lebensumstände geändert, vielleicht war es ein Geschenk, das du nie benutzt hast. Das alles passiert. Perfekter Konsum ist eine Illusion – besonders in einer Welt, die darauf ausgerichtet ist, dich ständig zum Kaufen zu verleiten.


Die globale Perspektive: Überkonsum ist ein Systemproblem

Natürlich ist es richtig, über deinen eigenen Konsum nachzudenken.

Aber Überkonsum ist nicht nur ein individuelles Problem, sondern ein strukturelles. Unsere Wirtschaft basiert auf Wachstum und Wachstum braucht immer mehr Konsum. Werbung, Trends, schnelle Lieferungen und ständig neue Produktversionen sind kein Zufall, sondern Teil eines Systems, das darauf ausgelegt ist, dass wir kaufen, kaufen, kaufen.

Das heißt nicht, dass du selber keinen Einfluss hast. Es heißt aber auch, dass du die Welt nicht rettest, indem du jedes alte Kabel für immer aufbewahrst, falls du nochmal eine Videokamera an einen Röhrenfernseher anschließen willst.


Auf Fehlern lernen

Anstatt die Sachen zu behalten, ist der wichtigere Schritt, daraus zu lernen. Wenn du beim Aussortieren merkst, dass du bestimmte Dinge immer wieder weggeben musst, ist das ein wertvoller Hinweis. Du kannst diese Erfahrung nutzen, um beim nächsten Einkauf bewusster zu entscheiden. Statt dich für vergangene Entscheidungen zu verurteilen, kannst du sie als Wegweiser sehen, wie du in Zukunft konsumieren willst. Denn je bewusster du dir die Dinge ins Haus holst, umso weniger musst du in Zukunft aussortieren und wegschmeißen.

Um die Frage zu beantworten, ob du etwas kaufen sollst, habe ich hier überigens ein kostenloses Merkblatt für dich: „Weniger unnützes Zeug kaufen“


Darf ich das wegschmeißen?

Und was ist mit der Angst vor dem Mangel?

Die Vergangenheit (und auch die letzten Jahre zeigen): Auch wenn wir im Moment im Überfluss leben, kann sich das jederzeit ändern. Es ist auch absolut sinnvoll, auf Notfälle vorbereitet zu sein.

Dein Leben in Angst vor Ereignissen zu verbringen, von denen du nicht weißt, ob sie kommen und welche Folgen sie haben werden, ist aber keine gute Strategie. Denn das beeinflusst ganz massiv das, worauf es eigentlich ankommt, nämlich heute zufrieden zu leben. Und ich behaupte mal, dass zu viele Sachen deiner heutigen Zufriedenheit nicht dienlich sind.


Meine Erfahrung aus der Ordnungscoach-Praxis ist oft die: So richtig vorwärts geht es, wenn man bei allem, was man nicht braucht oder mag mit Überzeugung sagen kann „einfach weg mit dem Zeug“.

Also ja, du darfst das wegschmeißen.

2 Kommentare


Margit
05. Sept.

Liebe Anna-Lena,

eigentlich finde ich deine Tipps und blogs immer recht ansprechend. In diesem stößt mir aber ein Satz etwas unangenehm auf: Der mit den China-Shops, dass sich auch Menschen mit geringem Einkommen alles kaufen können, und "niemand hat es verdient, von Almosen anderer zu leben." Einerseits wird von "Nachhaltigkeit" gesprochen, die Ein Euro-Shops und TEMU werden verteufelt, für Vintage und Secondhand wird Werbung gemacht, bei vielen Familien (auch bei Gutverdienern) ist es usus, dass Kinder "die Kleidung auftragen", "Sozialmärkte" sind gefragter als sonst (sind, zynisch gesagt, AUCH "Almosen", da geht es?). Aber jetzt auf einmal "hat es niemand verdient", von Almosen zu leben. Wenn das Geld nicht reicht, muss man sich nach der Decke strecken, und gerade in Geschäft…


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Unknown member
08. Sept.
Antwort an

Liebe Margit, ganz vielen Dank für deinen Kommentar.

Du hast recht, die Formulierung kommt nicht so rüber, wie ich es gemeint habe. Ich finde Spendenläden toll und unterstütze es absolut, Sachen weiter zu verwenden. Ich ermutige meine Kunden immer, auch ihre teuren Sachen dort abzugeben, wenn sie nicht selber darauf angewiesen sind, damit noch ein paar Euro zu machen. Genau damit Menschen, die jeden Euro umdrehen müssen, hochwertige und gut erhaltene Dinge dort finden können.

Leider sehe ich es aber auch oft, dass wirklicher Schrott abgegeben wird, nach dem Motto, für "die da" ist es doch noch gut genug. Als müsste jemand, der wenig Geld hat, für ein löchriges Shirt noch dankbar sein. Und ich finde es gut, dass niemand…

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