Swedish Death Cleaning
- Anna-Lena von Wolff
- vor 6 Tagen
- 6 Min. Lesezeit

„Na ja, ich bin dann nicht mehr da. Da müssen sich halt die anderen um mein Zeug kümmern.“
So oder so ähnlich habe ich es schon von einigen älteren Kundinnen gehört, wenn es darum ging, in welchem Umfang sie sich um ihre Sachen kümmern wollen – nur den Alltag in den Griff bekommen oder tatsächlich mal Inventur machen und die Dinge in Ordnung bringen?
Diese Sichtweise ist ein Weg, mit der eigenen Endlichkeit umzugehen.
Nach mir die Sintflut quasi.
Haushaltsauflösungen tun weh
Wer aber schon mal in der vollen Wohnung eines verstorbenen Angehörigen stand und unter Zeitdruck die wichtigen und wertvollen Dinge in einem Haufen von Zeug finden musste und dann dieses ganze Zeug einem Entrümpler überlassen oder es eigenhändig in einen Container geworfen hat, der sieht das vielleicht anders.
Der weiß, wie anstrengend das ist.
Wie oft man sich der Aufgabe nicht gerecht fühlt und Angst hat, etwas zu übersehen, was für den Verstorbenen wichtig war.
Wie sehr es schmerzt, Sachen einfach wegzuschmeißen weil es einfach zu viel ist, um sich um alles zu kümmern.
Wie sehr die Erinnerung dadurch getrübt werden kann, dass der Abschied noch schwerer gemacht wurde, als eigentlich nötig.
Einen sehr eindrücklichen Erfahrungsbericht dazu gibt es im sehr empfehlenswerten Buch von Ursula Ott „Das Haus meiner Eltern hat viele Räume“ (Es handelt sich um einen Affiliate Link, d.h. wenn du das Buch darüber kaufst, bekomme ich eine kleine Provision. Danke dafür!).
Klar Schiff machen für die Angehörigen
Wie viel besser wäre es also, sich rechtzeitig darum zu kümmern und klar Schiff zu machen für die Angehörigen, ohne seine letzten Jahre auf wichtige und liebe Dinge zu verzichten?
Die Schwedin Margareta Magnusson hat mit dem Büchlein „Frau Magnussons Kunst, die letzen Dinge des Lebens zu ordnen“ genau darüber geschrieben. International bekannt geworden ist das Buch wahrscheinlich wegen des griffigen Titels „Swedish Death Cleaning“. Angeblich ist das „Döstädning“ in Schweden ein ganz normales Vorgehen, das kann ich nicht beurteilen.
Es wäre aber schön, wenn das überall normal wäre.
Was ist Swedish Death Cleaning?
Los geht es nach Margareta Magnusson „wie immer“ beim Aussortieren – nämlich damit, ob die Sachen noch in dein Leben passen. Du startest mit alltäglichen Sachen, die Fotokiste kommt später.
Damit sollst du möglichst früh beginnen, nämlich so lange du noch fit und motiviert genug bist, dich mit den vielen, vielen Dingen zu beschäftigen. Es geht nicht um eine Hauruck-Aktion, aber schon darum, dranzubleiben und in jedes Fach und in jede Kiste zu schauen.
Will ich es behalten?
Die erste Frage ist die, ob du die Sachen noch brauchst und haben willst. Du triffst hier deine eigenen Entscheidungen, so, wie sie zu deinem Leben passen.
Weil es aber auch um den Nachlass geht, ist es für Margareta Magnusson ganz wichtig, die Angehörigen mit einzubeziehen. Nicht in deine Entscheidungen an sich, sondern bei der Frage, was mit den Sachen später passieren soll, und zwar sowohl mit denen, die du behältst, als auch mit denen, die du nicht mehr haben willst.
Will jemand anderes es jetzt oder später haben?
Nicht für jeden Dosenöffner musst du eine Familienkonferenz einberufen, aber wenn du dich entscheidest, das große Bücherregal im Wohnzimmer zu leeren, dich von der antiken Kommode zu trennen oder um die Frage, welchen der mehreren Kleiderschränke im Haus du behalten sollst, solltest du die Menschen fragen, die die Sachen mal erben würden. Wenn es Dinge sind, die du loswerden willst, kannst du sie ihnen schon jetzt übergeben und sie werden in einem neuen Haushalt genutzt und geschätzt, anstatt bei dir zu verstauben.
Dabei geht es auf keinen Fall darum, anderen ein schlechtes Gewissen zu machen, wenn sie die Dinge nicht wollen (du willst sie schließlich auch nicht mehr). Wenn niemand sie will, ist das eher dein Signal, dass du dich davon trennen kannst.
Was kann ich sonst damit machen?
Indem du das jetzt selber tust, kannst du den Dingen auch die Aufmerksamkeit geben, die sie verdienen.
Im Buch ist das Beispiel dafür ein Boot, auf dem ihre Kinder segeln gelernt haben und mit dem unzählige Erinnerungen verbunden sind. Sie segelt nicht mehr, ihre (jetzt erwachsenen) Kinder haben kein Interesse an einem eigenen Boot und die Enkel segeln nicht. Anstatt darauf zu hoffen, dass irgendwann jemand aus ihrer Familie das Boot so wichtig nimmt, wie es für sie ist, kümmert sie sich lieber jetzt schon (auch wenn es weh tut) und kann in Ruhe den passenden neuen Besitzer aussuchen.
Den Dingen Bedeutung geben
Auch über Sachen, die du aktuell nicht weggeben willst, kannst du sprechen. So weißt du, dass du bei der Auswahl zwischen Dingen das Richtige behältst. Und du erfährst, wem was gefällt und wer was mal haben möchte.
Bei den Gesprächen geht es aber nicht nur um diese praktischen Aspekte, sondern eigentlich vor allem um die Geschichten zu den Sachen. Überhaupt geht es beim Swedish Death Cleaning immer um Geschichten. Darum, was deine Sachen über dich und dein Leben erzählen und vielleicht noch über die Leben der Menschen, die davor kamen.
Diese Geschichten geben den Dingen eine Seele und eine Bedeutung, die über den Gegenstand hinaus geht. Natürlich haben nicht alle deine Sachen eine solche Bedeutung, vieles ist nur praktisch, nicht bedeutungsvoll.
Wie sollen deine Angehörigen das aber wissen, wenn du nicht darüber sprichst?
Ist der Beistelltisch wichtig für dich, weil dein Opa ihn gebaut hat oder hast du ihn irgendwann am Straßenrand gefunden?
Was sind deine Lieblingsteile und warum?
Bei welchen Dingen würdest du dir wünschen, dass sie in der Familie bleiben und was ist dir eigentlich egal?
Rede darüber und /oder schreib es auf. Wenn deine Angehörigen wissen, dass der Dekoteller an der Wand das einzige Teil ist, was dir von deiner Oma geblieben ist, werden sie es mit anderen Augen betrachten.
Das gleiche gilt für Fotos: Trenne dich von Bildern, die keine Bedeutung mehr haben (der Betriebsausflug vor 20 Jahren, die nichtssagenden Landschaftsbilder). Notiere bei den wichtigen Bildern auf der Rückseite, wer und was zu sehen ist. Wenn Angehörige zu Besuch kommen, schaut gemeinsam eine Kiste durch, denn auch hier geht es um die Geschichten, die die Bilder erzählen.
Papiere in Ordnung bringen
Wenn wir schon bei Papier sind: Natürlich ist es auch sinnvoll, die praktischen Dinge zu ordnen. Informationen zu Verträgen und Bankkonten, Patientenverfügung und Testament zum Beispiel. Das sind Themen, über die du sprechen und die du möglichst geordnet hinterlassen solltest. Wenn die Info über eine vor Jahrzehnten abgeschlossene Lebensversicherung zwischen ordnerweise alten Telefonrechnungen oder Unterlagen zu längst gekündigten Autoversicherungen verschwunden ist, geht deinen Angehörigen echtes Geld verloren.
Das ist „Frau Magnussons Kunst, die letzten Dinge des Lebens zu ordnen“
Ich weiß, das sind wenige praktische Tipps und auch keine A-Z-Anleitung.
Die findest du auch im Buch von Frau Magnusson nicht, denn es ist kein Ratgeber im eigentlichen Sinne. Es ist ein kleines Büchlein, das man an einem Tag gelesen hat und in dem Frau Magnusson aus ihrem Leben berichtet und ihre Lebensweisheiten zum Besten gibt (denen man nicht immer zustimmen muss). Deswegen ist das Buch übrigens auch nicht morbid oder „traurig“. Es fühlt sich an, wie ein Nachmittag bei einer redseligen Oma. Dazu kommen dann eben noch ein paar praktische Tipps und ein Vorschlag zur Reihenfolge.
Deine privaten Sachen
Einen Tipp möchte ich dir nicht vorenthalten:
Leg eine Kiste an mit all den Dingen, die du aufbewahren willst weil sie für dich wichtig sind, von denen du aber nicht möchtest, dass andere sie sehen. Tagebücher oder Briefe gehören da zum Beispiel rein oder kleine Erinnerungsstücke, die nur für dich von Bedeutung sind. Oder Dinge, von denen du einfach nicht willst, dass deine Kinder oder deine Schwägerin sie sehen. (Im Buch geht es da unter anderem um eine Dildo-Sammlung.) Notiere auf der Kiste die Anweisung, sie nach deinem Tod ungeöffnet wegzuschmeißen. Nicht unbedingt weil es peinlich ist, was du als Teenager in dein Tagebuch geschrieben hast, sondern weil es deine persönliche Geschichte ist und jeder ein paar Geheimnisse haben darf.
Fokus auf das, was Bedeutung hat
Was ist also Swedish Death Cleaning? Es geht einfach darum, sich in späteren Lebensjahren mit dem eigenen Besitz zu beschäftigen und die Dinge eben geordnet zu hinterlassen.
Es geht nicht darum, sich auf das absolute Minimum zu beschränken und womöglich Jahrzehnte wie ein Mönch zu leben. Du sollst alles behalten, was dir wichtig ist.
Die Erfahrung zeigt aber, dass sich im Laufe der Jahre viele, viele Dinge aus verschiedenen Lebensphasen ansammeln. Die sind zu ihrer Zeit wichtig, irgendwann aber nicht mehr. Das führt dann dazu, dass wir eben von ganz vielen Dingen umgeben sind, die schon jetzt überflüssig sind und die es deinen Angehörigen irgendwann umso schwerer machen. Für sie sind sie erst recht überflüssig und versperren zudem die Sicht auf die Dinge, die wichtig sind.
Indem du schon zu Lebzeiten aussortierst, lebst du im hier und jetzt (anstatt in der Vergangenheit) und erhöhst die Chance, dass die Dinge, die du hinterlässt, tatsächlich wertgeschätzt werden – weil es nicht mehr so viele sind und weil du ihre Geschichten erzählt hast.
Du willst endlich ausmisten? Egal ob mit oder ohne Swedish Death Cleaning und in jedem Alter lernst du das mit dem Ausmist-ABC:
Ich habe das Buch von Frau Magnusen nicht gelesen oder gehört allerdings war ich schon zwei Mal in der Situation über die Überbleibsel eines Menschen zu entscheiden der mir nahe Stand! Das ist keine schöne Situation und zudem rennst du mit einem ewig schlechten Gewissen herum! Immer die Überlegung, ist dies oder jenes wertvoll und ich trete es womöglich mit Füßen weil ich es aufgrund von falscher Einschätzung oder mangelnder Erfahrung unter Wert weggegeben habe! Nicht schön! Wenn dagegen der Mensch schon vorher geregelt hat was weg soll und wer was bekommt ist das super!
Ich habe dieses Buch gelesen/gehört und war dann sehr wütend, weil der Hund (!) als Familienmitglied auch getötet wurde, um aufzuräumen. Das hat alles davor gesagte plötzlich in einem anderen Licht gezeigt - Frau Magnussen geht im wahrsten Sinn des Wortes auch über Leichen. Es ist das aus mehreren philosophischen Aspekten moralisch verwerflich: 1. Sie instrumentalisiert das Leben, es ist für sie ein Mittel zum Zweck - aus reiner Bequemlichkeit lässt (!) sie den treuen Gefährten töten. Der Hund hat für sie keinen eigenen Wert und zu einem Problem reduziert, das sie auf diese unmenschliche Art löst. 2. Sie verstößt gegen die Fürsorgepflicht gegenüber abhängingen Wesen: Wer sich ein Tier nimmt sollte bedenken, dass er für das Tier alles ist,…